BERICHT - DrumHeads!! 2/2023 - Daniel Schmitt
Porträt Klangmacherei
In diesem beschaulichen Örtchen auf der schwäbischen Alb würde man nicht damit rechnen: Ganz unscheinbar, auf dem eigenen Grundstück, betreibt Michael Scharf, genannt Mic, hier die Klangmacherei, die unter Insidern zu den besten und bekanntesten Custom-Drum-Werkstätten in Deutschland zählt.
Ein für die Region typisches Städtchen ist dieses Engstingen, gelegen rund 50 Kilometer südlich von Stuttgart. In einem Nebengebäude auf dem eigenen Grundstück hat Mic Scharf hier seine bescheiden
wirkende Klangmacherei untergebracht. Sie sieht aus wie eine Hobby-Werkstatt: Keine großen Maschinen, dafür jede Menge Holz und angefangene Werkstücke in unterschiedlichen Stadien findet man dort.
Dass hier vorwiegend von Hand gearbeitet wird, ist augenscheinlich. Im Untergeschoss seines Hauses zeigt mir Mic außerdem seinen Lagerraum mit vielen fertigen Trommeln - Prototypen und Einzelstücke
aus eigener Fertigung, die er behalten hat.
Ein leidenschaftliches Hobby, das ist der Trommelbau für Mic tatsächlich immer noch. Ein Gewerbe auch, schließlich verkauft er seine Produkte. Ein Kundenauftrag wir zwar nur selten abgelehnt, aber
auf Lieferfristen, erklärt er mir, lässt er sich nicht ein. Er arbeitet so viel er möchte, ohne Quoten, ohne äußere Zwänge. Die Trommeln sind fertig wenn sie fertig sind und die Produktionsmengen
schwanken. In manchen Jahren bringt er nur eine Handvoll Trommeln hervor, in anderen fast wie am Fließband - das kommt auch drauf an, wie viel Zeit neben Job und Familie bleibt. Hauptberuflich ist
Mic in der IT tätig, bis zur Rente sind es noch ein paar Jahre. Darauf freut er sich schon: "Mehr Zeit zum Trommeln bauen."
Abgesehen von Auftragsarbeiten und einer Serienfertigung, die die zwei Modelle "Klassik" und "Exklusiv" umfasst, versucht sich der Trommelbauer auch immer wieder an Experimenten. Davon zeugen einige
Unikate aus seiner Sammlung. Darunter zum Beispiel eine Snare mit Brokat-Finish, eine mit Rattankessel oder eine, die beim Besuch einer Darbuka-Manufaktur in Istanbul entdeckt hat. Einmalig sind auch
seine Cajon-Snare und Cajon-Tom, die er in Serie produziert. Sie haben die runde Form von Snare und Toms, aber Holzschlagflächen statt Felle. Bleiben noch die "kleinen Helferlein" zu erwähnen: Per
Klammer zu befestigende Lederdämpfer, Becken-Sizzler und mehr. Auch Gel-Pads bietet er an.
Auch die Restauration von Vintage-Kesseln fällt in Mics Arbeitsbereich. Kunden bringen ihm Trommeln, die zwanzig, dreißig, vierzig Jahre und älter sind, damit er sie wieder fit macht oder
modernisiert. Mit solchen Arbeiten hat die ganze Sache vor vielen Jahren einmal angefangen, wie er mir berichtet. Da baute er noch keine eigenen Trommeln. Die Pflege von Kontakten zu anderen aus
seiner Zunft ist für Mic eine Selbstverständlichkeit. Die Szene ist eng vernetzt, man kennt sich, trifft sich regelmäßig. Es bestehen Teils enge Freundschaften. Sowohl innerhalb Deutschlands, als
auch ins Ausland, zum Beispiel in die Schweiz oder nach Italien, hat er Beziehungen zu Kollegen. Im Sommer empfängt Mic auch Gäste aus der Schlagzeug-Szene im eigenen Hof zum Grillen.
Anders als große Fabriken mit ihrer gleichförmigen Massenproduktion muss Mic beim Bau eines Instruments nicht strikt einen durchoptimierten Prozess befolgen. Vieles ist bewährte Routine, anderes
variiert und wird improvisiert, je nach gewünschten Ergebnis.
Die Standardkessel seiner Serien bestehen aus Furnieren, die er von einem Holzhändler erwirbt. Bei Kesselmaterialien gibt es kaum Einschränkungen. Man findet in Mics Regalen angefangene und fertige
Trommeln unter anderem aus Ahorn, Birke, Mahagoni, Nussbaum, Kirsche, aber auch exotische Hölzer wie Bubinga oder Etimoué.
Er benutzt auch als Vorprodukt sogenannte "Kellerkessel", das sind vorgefertigte Holzzylinder der amerikanischen Firma Keller Products, die es im Fachhandel gibt.
Die Herstellung eines eigene Zylinders beginnt mit der Auswahl und dem Zuschnitt der Furniere. Je nachdem, um welche Bauform es sich handelt, ergeben sich da Unterschiede. Für die "Klassik"-Serie
liegt die Holzmaserung, die von der Wuchsrichtung des Baumes abhängt, horizontal im fertigen Kessel. Diese Kessel bestehen nur aus einer Lage eines wenigen Millimeter dicken Furniers, für
ausreichende Stabilität setzt der Trommelbauer in sie später Verstärkungsringe ein. Bei der "Exklusiv"-Serie werden zwei Schichten Furnier miteinander verleimt. Hier steht die Maserung später
vertikal in den fertigen Trommeln.
In einer Form, für die ein etwas größerer Tom-Kessel dient, werden Furniere zuerst für einige Zeit vorgebogen. Dann setzt Mic sie in eine selbst angefertigte Spannform ein. Bei den "Klassik"-Snares
kommen an dieser Stelle die Verstärkungsringe hinein, denn allein sie geben dem Kessel später Stabilität. Bei der "Exklusiv"-Variante werden hier zwei Lagen Furnier miteinander verleimt. Nicht jeder
Leim eignet sich für Trommeln, merkt der Fachmann an: Der Weißleim aus dem Baumarkt trocknen zu weich, das tötet die Schwingungen ab. Ein Profi-Holzleim, der deutlich härter wird, ist weitaus besser.
Als nächstes kommt schon das Finish. Die Kesselrohlinge werden danach auf dem Frästisch, der mit zwei Oberfräsen, die von unten an die Tischplatte geschraubt sind, ausgerüstet ist. Hier bearbeitet er
die Gratungen. Die Bohrungen macht er daraufhin an einer stationär aufgebauten Standbohrmaschine.
Neben unterschiedlichen Hölzern und anderen Kesselmaterialien verbaut Mic auch verschiedene Hardware. Die hat er früher öfter selbst hergestellt, aber da sind Beschaffungspreise und Arbeitsaufwand
vergleichsweise groß, also wird heutzutage meist eingekauft. Wenn Kunden bereit sind, sie zu bezahlen, verwendet er aber gelegentlich noch eigene Hardware. Auch Finishes gibt es viele: Mic verwendet
Folien, er beizt, ölt und wachst Kesseleigenhändig in seiner Werkstatt. Das Lackieren bietet er seinen Kunden an, lagert es in der Regel aber an eine andere Firma aus. Vor allem, um Familie, Nachbarn
und Umwelt vor Stäuben und Gerüchen zu schonen.
Dass dem Trommelbauer bei der Werkstattroutine doch mal langweilig werden könnte, scheint ausgeschlossen. Allein ein Blick ins Regal zeigt, wie viele verschiedene Ideen und Ansätze Mic im Hinterkopf
hat. Die Klangmacherei wird sicher in Zukunft noch so einige Überraschungen hervorbringen.
Interview Mic Scharf
Warum hast du ursprünglich angefangen Kessel zu bauen?
Mic: Das hat sich einfach so ergeben. Zu Beginn habe ich Trommeln repariert, zum Beispiel delaminierte Kessel geleimt, Kessel gekürzt oder modifiziert, zum Beispiel mit Verstärkungsreifen, und so
weiter. Irgendwann in den Neunzigern entstanden dann die ersten gewickelten Kessel auf einer Positivform. Hier war ich, was die Wandstärke betrifft, natürlich eingeschränkt, deshalb habe ich
angefangen, Kesselpressen zu bauen. In diesen kann ich nahezu beliebige Wandstärken bei meinen Kesseln erreichen.
Hast du eine klassische Ausbildung als Schlagzeugbauer oder wie hast du dein Handwerk gelernt?
Handwerklich arbeiten tue ich seit meiner Kindheit. Eine klassische Tischlerausbildung oder ähnliches hatte ich leider nicht. Alles was ich zum Schlagzeugbau benötige, habe ich mir über die Jahre
selbst beigebracht.
Woher nimmst du dein Inspiration für neue Kessel?
Meist beginnen die Ideen schon im Lager meines Holz- und Furnierhändlers zu reifen, wenn ich dort das Holz aussuche. In meiner Werkstatt sortiere ich und schaue mir die Maserung an und entscheide
dabei, wie ich es nutzen. Wichtig ist mir auch die Zusammenarbeit mit meinen Kunden. Manche haben ja schon bestimmte Vorstellungen, wenn sie bestellen oder wir im Gespräch sind, wie und ob man dies
oder das umsetzen kann. Da kommt dann auch eine Menge Input von den Kunden.
Wenn du ein Shellset ohne fixen Kundenauftrag baust, hast du dann eine Zielgruppe respektive einen idealen Kunden im Hinterkopf?
Häufig probiere ich dann was Neues aus. Vielleicht etwas, das mir gefällt - mit der Hoffnung, dass es auch anderen gefällt.
Was war dein bisher verrücktester Kundenwunsch?
Eine 28er-Bassdrum. Da war der Aufwand für den Formenbau ziemlich groß. Oder eine Snare aus Rattan - ich habe zwei daraus gebaut. Ich glaube, das könnten die zwei einzigen auf der Welt sein.
Welches deiner eigenen Drumsets bzw. Produkte ist dein persönlicher Favorit?
Mic: Ich finde meine Snaresn aus der Klassik-Serie ziemlich gelungen.
Welche Kollegen aus der Schlagzeugbauer-Zunft bewunderst du?
Adrian Kirchler aus Südtirol, Christoph Anlauf, Stefan Wicki und Andreas Hinz aus der Schweiz, Gert Breugelmans aus Belgien, Alex Zachow und Christian Hedwitschak aus Bayern. Michael Paiste, wenn es
um Becken geht.
Wer sind deine Lieblingsdrummer (Lieblingsmusiker)?
Ohje, da gibt es so viele, aber Manu Katché ist sicherlich einer davon.
Seit wann baust du Trommeln?
Seit den Achtzigern, mit eigenen Kesseln seit den späten Neunzigern.
Wie viele Mitarbeiter hast du?
Ich muss alles alleine machen.
Wie viele Trommeln/Drumsets baust du im Jahr?
Sehr unterschiedlich, je nach Auftragslage, zwei bis fünf Sets, zehn bis 40 andere Trommeln.
Wie viele verschiedene Modelle gibt es?
Ich habe zwei feste Serien: Klassik (einlagig, horizontal) und Exklusiv (zweilagig, vertikal). Dann gibt es die Cajon Snares und Toms, Djembe Snares (vorgestimmt und stimmbar), 12er-Alu_Snares.
Ansonsten ist alles auf Kundenwünsch basierend.
Welches ist dein bei Kunden beliebtestes Modell?
Die Klassik-Serie und spezielle Kundenwünsche halten sich die Waage.
Beschreibe deine Firma in einem Wort:
Keine Massenproduktion - Mist, das sind jetzt zwei Wörter... Okay: Individualität!
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